Reifeprüfung für das Brucknerorchester: Mit dem Debüt in der New Yorker Carnegie Hall starten die Musiker ihre US-Tournee.

Um 12.15 Uhr hob gestern die Lufthansa-Maschine in München ab, die das Bruckner Orchester samt seinem Chef Dennis Russell Davies, der nach dieser Spielzeit im September von Markus Poschner abgelöst wird, zu dessen Abschiedstournee in die USA bringt. 110 Menschen, 66 Transportcontainer und sieben Tonnen Gepäck sind zu neun Konzerten unterwegs, von denen keines so wichtig ist wie das erste – morgen in der New Yorker Carnegie Hall.

Philip Glass_Photo: Fernando Aceves

Philip Glass_Photo: Fernando Aceves

Der 31. Jänner ist damit nicht bloß jener Tag, der mit dem 80. Geburtstag des in Linz ausgiebig aufgeführten US-Komponisten Philip Glass zusammenfällt – die Brucknerianer werden in Glass’ Anwesenheit auch dessen 11. Sinfonie uraufführen. Es ist der Tag, an dem es für das nach den Wiener Philharmonikern zweitgrößte Orchester Österreichs um weltweite Reputation geht. In der oberösterreichischen Umgebung mochte sich das Bruckner Orchester an mittelmäßigen Tagen ungestraft durchmogeln dürfen, viel öfter blitzte in der Vergangenheit seine große Klasse auf, morgen wird es in einem der bedeutendsten Konzerthäuser der Welt auf internationale Reife, auf Druckbeständigkeit und auf sinfonische Kraftwerkstauglichkeit geprüft.

 

Besser verkauft als Barenboim

Auf fünf Ebenen fasst das „Isaac Stern Auditorium“, der größte von drei Sälen der Carnegie Hall, 2804 Besucher. 97 Karten zwischen 17,50 und 127 Dollar (16,40 und 116,80 Euro) waren gestern noch zu bekommen. Mit dem Geburtstagsereignis um Philip Glass, der für die Filmmusik von „Die Truman Show“ 1999 den Golden Globe gewann und zwei Mal für den Oscar nominiert war, haben die Linzer die New Yorker angefüttert. Als Daniel Barenboim am Samstag hier die Staatskapelle Berlin zu Bruckners Achter dirigierte, waren 450 Plätze frei geblieben.

An den Wänden in den Gängen der honorigen Halle hängen Schwarzweiß-Bilder von Arturo Toscanini und Leonard Bernstein, die Gesellschaft könnte nicht besser sein. Genauso wie die Akustik, dafür ist die Carnegie Hall wie der Wiener Musikverein weltberühmt.

Der Ziegelsteinbau im italienischen Renaissance-Stil wurde von dem milliardenschweren Stahl-Tycoon Andrew Carnegie (1835– 1919) an der Ecke 57. Straße/7th Avenue erbaut und 1891 eröffnet. Genau gegenüber, im Park Central Hotel, wohnen die oberösterreichischen Musiker. Und es war keineswegs einfach, die Instrumente überhaupt hierher zu karren.

„Es ist meine sechste USA-Tournee, die ich mit vorbereitet habe – zwei mit dem Bonner Beethoven-Orchester, eine mit dem Stuttgarter Kammerorchester und nun die dritte mit dem Bruckner Orchester –, und mit jedem Mal haben sich die Rahmenbedingungen für die Reisen extrem verschlechtert“, sagt der künstlerische Bruckner-Orchester-Direktor Heribert Schröder im Gespräch mit den OÖNachrichten.

Die 110 Musiker hatten vor der Abreise mit vier Bussen ins US-Konsulat nach Wien transportiert werden müssen, dort hatte jeder Einzelne auf Nachfrage Profession und Herkunft abzunicken. Nach sieben Stunden ging es zurück nach Linz.

Als noch nervender stellten sich die Hürden durch das Washingtoner Artenschutzübereinkommens CITES heraus. Schröder: „4000 Hölzer und Tiere werden über CITES geschützt, aber unsere Holzinstrumente und -bögen wurden größtenteils gebaut, als dieses Artenschutzübereinkommen noch gar nicht existiert hat.“

Alle Hölzer aufgelistet

Natürlich war die sinnvolle Vereinbarung zum Schutz für Tiere und Pflanzen 1973 nicht getroffen worden, um Orchestern und Musikern das Reisen zu verkomplizieren. Sie sollte den Wildwuchs des kriminellen Handels eindämmen. „Aber“, sagt Schröder, „die US-Amerikaner wollten dennoch genau wissen, welche Tropenhölzer in jedem unserer Instrumente verbaut sind. Das hat alles gedauert, man glaubt es nicht.“

Um den Ablauf in den USA kümmert sich die den Konzertmarkt in Übersee beherrschende Agentur Columbia Artist LLC, Vizepräsident Doug Sheldon persönlich nahm sich um das Bruckner Orchester an. Noch in Linz hatte Dennis Russell Davies den hellen Klang der Carnegie Hall simulieren lassen, „das war auch wichtig“, sagt Schröder, „weil wir in einer Liga angekommen sind, in der wir uns nicht blamieren dürfen.“ Das betrifft nicht nur New York, sondern auch gleich das zweite Konzert am 1. Februar in Chapel Hill in North Carolina.

Die dortige Reihe besteht aus vier Konzerten: mit dem chinesischen Nationalorchester, der San Francisco Symphony unter Michael Tilson Thomas, den Wiener Philharmonikern unter Franz Welser-Möst – und dem Bruckner Orchester. Aus den Hotelzimmern hört man die Musiker üben. Sie wissen, was auf dem Spiel steht.